Warum wir uns für die Krebsforschung bei Kindern engagieren
In Deutschland erkrankt jeder zweite Mensch im Laufe seines Lebens an Krebs, deshalb werden in diesem Bereich zwar viele Forschungsgelder ausgegeben - allerdings konzentriert sich nur ein Bruchteil dieser Forschungen auf Kinder. Die meisten krebskranken Menschen sind schon älter, was man als gute Nachricht lesen kann. Aber:
Krebs muss bei Kindern anders behandelt werden
Der Körper von Kindern verarbeitet Therapien gegen den Krebs anders, als Erwachsene. Deshalb brauchen wir hierfür eine spezielle Krebsforschung.
Da die Anzahl der erkrankten Kinder zu gering ist, als dass sich die teure Entwicklung von Medikamenten und Therapien für die Pharmaindustrie lohnt, sind die zur Verfügung stehenden Forschungsgelder nur gering. Eine Familie mit einem an Krebs erkrankten Kind interessiert sich nicht für diese Statistik und Fakt bleibt, dass die Forschung für krebskranke Kinder vernachlässigt wird.
Mit Ihrer Spende unterstützen Sie auch die Forschung, zum Beispiel haben wir gemeinsam mit unserer Stiftung ein Forschungsgerät zur Herstellung von Killerzellen für die Leukämie-Therapie an der Kinderklinik Tübingen finanziert.
Folgende Therapien zeigen, dass es viele Möglichkeiten gibt, sich gegen Leukämien und Tumoren zu wehren. Wenn die erste Therapie nicht anschlägt, kann man fast immer auf eine Alternative ausweichen. Leider genügt das nicht immer. Noch sind die neuen Methoden nur in einzelnen Fällen einsetzbar. Aber die Forschung ist auf einer guten Spur – und die Forscher geben nicht auf. Ihr Ziel ist es, eines Tages kein Kind mehr durch eine Leukämie oder einen Tumor zu verlieren. Die Chancen dafür steigen mit jedem Tag.
Therapien
Behandlungsdauer und Therapie von Leukämie
Bei der Therapie der ALL rechnen wir in der Regel mit 24 Monaten, bei der AML mit 18 Monaten. Beide Therapien bestehen aus zwei Abschnitten: einer intensiven Chemotherapiephase und einer Erhaltungs- Chemotherapiephase. Die intensive erste Phase dauert bei der ALL ca. 8 Monate, bei der AML ca. 6 Monate. Die zweite Phase erstreckt sich bei der ALL über rund 16 Monate, bei der AML über etwa 12 Monate. Rund 5 Prozent der Kinder, die an einer ALL neu erkranken, benötigen eine Stammzelltransplantation, bei der AML sind es mit 35 Prozent deutlich mehr. Bei der Suche nach einem geeigneten Spender können wir allein in Deutschland auf über 20 Spenderdateien zugreifen. Die Deutsche Knochenmarkspenderdatei (DKMS) ist mit aktuell 5.260.715 (Stand September 2017) potentiellen Spendern die größte unter ihnen. Die Spendersuche kann auch weltweit erfolgen, also in international verfügbaren Spenderdateien, in denen insgesamt mehrere Millionen Spender registriert sind.
Behandlungsdauer und Therapie von Leukämie
In der Kinderklinik Tübingen erhalten pro Jahr etwa 40 bis 50 Kinder und Jugendliche eine Knochenmark- oder Stammzelltransplantation. Damit ist Tübingen eines der größten Transplantationszentren Deutschlands. Bei knapp zwei Drittel der Kinder erfolgt eine allogene Knochenmark- oder Stammzelltransplantation. „Allogen“ bedeutet in diesem Fall: Knochenmark oder Stammzellen stammen von einem unverwandten Fremdspender. Auch Geschwister können spenden: Das ist bei rund 10 Prozent unserer jungen Patienten möglich. Für die verbleibenden knapp 25 Prozent, für die kein passender Fremd- oder Geschwisterspender zur Verfügung steht, wurde in Tübingen im Team um Prof. Handgretinger, die haploidente Transplantation entwickelt. Bei dieser Methode spenden die Eltern, also Mutter oder Vater, die Stammzellen. Während bei der allogenen Knochenmark- oder Stammzelltransplantation die Oberflächenmerkmale auf den weißen Blutkörperchen (Leukozyten) zwischen Spender und Empfänger identisch sein müssen, genügt bei der haploidenten Stammzelltransplantation eine Übereinstimmung von 50 Prozent. Die Methode hat sich inzwischen weltweit an den größten hämatoonkologischen Zentren etabliert und ermöglicht eine zweite oder sogar dritte Transplantation.
Targeted Therapies
Neben der klassischen Chemotherapie spielen seit einigen Jahren die zielgerichteten Krebstherapien, sogenannte targeted therapies, bei der Behandlung von Leukämien und Tumoren eine wichtige Rolle. Zielgerichtete Therapien werden allein oder in Kombination mit Chemo- oder Strahlentherapie eingesetzt und sollen möglichst nur die Krebszelle angreifen. Die Wirkstoffe beeinflussen das Zellwachstum und können so den Tumor zerstören. Allerdings muss vor Einsatz dieser Therapie genau geprüft werden, ob die Behandlung auch für den Patienten geeignet ist. Zu den wichtigsten gezielten Therapieformen, die bei Kindern und Jugendlichen angewendet werden, gehören die CAR-T-Zell-Therapie, die Therapie mit Small molecules, sowie die Antikörpertherapie.
CAR-T-Zell-Therapie
Bei der CAR-T-Zell-Therapie, die derzeit noch im Forschungsstadium ist, werden dem Patienten bestimmte Abwehrzellen (T-Zellen) entnommen und mit einem zielgerichteten chimären Antigenrezeptor (CAR) versehen. Dieser bindet sich an bestimmte Oberflächenstrukturen auf Krebszellen. Durch diese Bindung kann die Krebszelle zerstört werden (Abb. 1). Ein Vorteil dieser Therapieform könnte darüberhinaus sein, dass das Abwehrsystem des Patienten ein sogenanntes „Immungedächtnis" ausbildet, so dass nach der ersten Gabe der CAR-T-Zellen eine Abwehr gegen Krebszellen bestehen bleibt. Dadurch würde das Risiko eines Rückfalls der Krebserkrankung (Rezidiv) deutlich gesenkt.
Abb. 1. Körpereigene T-Zellen des Patienten erhalten im Labor einen spezifischen „CAR‟. Der „CAR‟ ermöglicht die Erkennung und gezielte Zerstörung der Krebszellen.
Small molecules
Small molecules (kleine Moleküle) sind kleine Bausteine, die aufgrund ihrer geringen Größe in Krebszellen eindringen können. Dort greifen sie gezielt in den Stoffwechsel des Tumors ein und können – je nach Art des Bausteins – die Vermehrung oder das Wachstum des Tumors hemmen oder das Absterben der Krebszellen bewirken (Abb. 2). Der Thyrosinkinaseinhibitor (TKI) Imatinib (Glivec®) wird schon seit vielen Jahren bei der Therapie der BCR-ABL-positiven Leukämie eingesetzt. Jüngere Therapien mit gezielten TKIs finden bei Kindern mit einer aggressiven Form des Neuroblastoms Anwendung.
Abb. 2. Small molecules dringen in die Krebszellen ein und zerstören sie.
Tumor-spezifische Antikörper
Tumor-spezifische Antikörper
Tumor-spezifische Antikörper erkennen die Oberflächenstrukturen von Krebszellen und binden sich an sie. Durch diese Bindung werden unterschiedliche Effekte verursacht. Zum einen können bestimmte Stoffwechselwege der Tumorzelle gestört und dadurch die Zelle zum Absterben gebracht werden. Zum anderen können die Antikörper Krebszellen „markieren‟ und die körpereigenen Abwehrzellen dabei unterstützen, die Krebszellen zu erkennen und zu zerstören (Abb. 3). Kinder und Jugendliche mit einem ALL-Rezidiv werden auch mit dem tumor-spezifischen Antikörper Blinatumomab (Blincyto®) behandelt. Bei Patienten mit einem Neuroblastom wird begleitend der Antikörper Dinutuximab beta eingesetzt.
Abb. 3. Tumor-spezifische Antikörper erkennen zielgerichtet bestimmte Oberflächenstrukturen auf Krebszellen und helfen direkt oder indirekt bei deren Zerstörung.
Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Michaela Döring ist Oberärztin auf der Stammzelltransplantationsstation – Allgemeine Pädiatrie, Hämatologie, Onkologie in der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin Tübingen. Kontakt: michaela.doering@med.uni-tuebingen.de
Stand Juli 2019